Durch richtige Melktechnik zu gesunden Eutern

Um das Eindringen von Krankheitserregern in das Euter zu verhindern, ist der Erhalt der Infektionsabwehrmechanismen in den Zitzenspitzen sehr wichtig. Durch regelmäßiges Ausmelken der oberem Drüsenbereiche werden eingedrungene Erreger mit ausgeschwemmt und können sich nicht weiter vermehren. Deshalb sind Zitzenbeschaffenheit und Ausmelkgrad die wichtigsten Kriterien für die Beurteilung eines Melkprozesses. Wie diese möglichst positiv beeinflußt werden können, soll im folgenden Beitrag erörtert werden.

Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Melkvorgang ist eine ruhige Melkatmosphäre in der die Kühe möglichst entspannt und ohne Angst auf das Melken warten und sich ganz der Milchhergabe widmen können. Unterschätzt wird der negative Einfluss von sehr lauter Melktechnik, rutschigen Laufflächen, zu engen Melkplätzen oder auch unbeherrschtem Melkpersonal. Schlechte Luft, Fliegen, vibrierende Melkstandgerüste oder Kriechströme können weitere Störfaktoren sein, die Kühe nach dem Melkzeug schlagen lassen, die Melkzeit verlängern oder einfach den Ausmelkgrad der Euter verschlechtern.



Das eigentliche Melken beginnt mit der Eutervorbereitung. Fehler, die hier gemacht werden, wirken sich auf den ganzen Melkprozess aus.

Erregerübertragung vermeiden

Bei vorhandenen Euterproblemen muß große Sorgfalt auf die Melkhygiene gelegt werden, um die Erregerübertragung so weit wie möglich einzuschränken. Die Milch euterkranker Kühe sollte dann unbedingt in einen Vormelkbecher gemolken werden und möglichst nicht an die Hände oder auf den Boden gelangen. Auch über einen Lappen oder einen Eimer Wassers ohne Desinfektionsmittel für alle Kühe können Krankheitserreger in der Herde verteilt werden. Neben der Keimverschleppung ist eine nasse Reinigung schon aus melktechnischer Sicht problematisch, wenn nicht nachgetrocknet wird. Euterbrausen und feuchte Tücher sollten deshalb nur bei extrem verschmutzen Einzeltieren angewendet werden, weil der Zeitbedarf zum Trocknen vor allem bei behaarten Eutern sehr hoch ist und in der Praxis aus Zeitmangel in der Regel nicht realisiert wird.

Nasse Zitzen sind rutschig!

Werden die Melkbecher jedoch an nasse Zitzen angesetzt, ist die Haftung sehr schlecht. Sowohl hoch rutschende, als auch abfallende Melkbecher behindern den optimalen Melkablauf. Sitzt ein Zitzengummis erst an der Euterbasis, schwillt die vorher schon engere Milchpassage auch nach innen zu und behindert so den Milchabfluß. Erst durch Belastung des Melkzeuges wird diese Engstelle gestreckt und wieder frei. So entstehen viel zu lange Melkzeiten und große Nachgemelksmengen. Zudem ist so eine Melkweise arbeitsaufwendig und zeitraubend. Außerdem werden bei den dann nur noch geringen Milchflüssen die Zitzen besonders stark beansprucht oder sogar geschädigt. Auch kann angelöster Schmutz von nassen Zitzen während des Melkens mit in den Melkbecher gesaugt werden, was für die Keimbelastung der Milch nicht gerade vorteilhaft ist.

Auch feuchte Papiertücher halte ich nur bedingt für geeignet. Bei stärker verschmutzen Zitzen ist die Reinigung nur sehr eingeschränkt möglich. Tücher mit Alkohol entziehen der Zitzenhaut (und auch den Händen!) sehr viel Fett. Das muß danach durch pflegende Dippmittel wieder ausgeglichen werden, weil sonst die Zitzen trocken und spröde werden. Die keimreduzierende Wirkung ist aufgrund der begrenzten Einwirkzeit und Mittelkonzentration recht fraglich. Kosten und Nutzen sind meiner Ansicht nach hier in einem ungünstigen Verhältnis. Wer auf feuchte Tücher dennoch nicht verzichten will, sollte noch feuchte, rutschige Zitzen vor dem Ansetzen der Melkzeuge unbedingt nachtrocknen.


Übersicht 1: Auswirkung der Melkbecherposition auf den Melkprozess




Stimulationszeit ist wichtig

Zur Eutervorbereitung gehört auch die Herstellung der Melkbereitschaft der Kühe. Besonders bei großen, rahmigen Tieren wird die Zeit oft unterschätzt, bis nach der Zitzenstimulation das Milchfreisetzungshormon Oxytozin aus der Hirnanhangdrüse übers Blut zum Euter gelangt. Wird jedoch gemolken bevor die Milch aus den Milchbildungszellen gepresst wird, fließt nur solange Milch, bis die Zisterne entleert ist. Die Zitzen werden dann schlaff und dünn, weil der sonst mit Milch gefüllte Hohlraum leer wird. Die Melkbecher haben aber an schlaffen, wie auch an nassen Zitzen, nur ungenügend Halt. Wenn es nicht zu Haftproblemen kommt, klettern die Melkbecher schon zu Melkbeginn und verengen so den Bereich an der Zitzenbasis. Daher lassen sich Haft- und Ausmelkprobleme oft auf zu geringe Stimulationszeiten zurückführen.

Im Melkstand kann man zuerst mehrere Kühe nacheinander vorbereiten (10 – 20 s/Kuh) und

danach die Melkzeuge nacheinander ansetzen. Im Anbindestall muß der Melker seine Kühe schon gut kennen und möglichst täglich in der gleichen Reihenfolge melken, um die angerüsteten Kühe auch nicht zu lange (>2 min) stehen zu lassen. Hier und auch für Tandem-Melkstände und bei einfacher Bestückung von Fischgrätenmelkständen bringt eine maschinelle Vorstimulation Vorteile, weil man nicht zweimal zur Kuh gehen muß. Fleckviehkühe und rahmige HF Tiere brauchen in der Regel 90 Sekunden Stimulationszeit. Nur für frischlaktierende Hochleistungstiere reichen 60 oder auch 40 Sekunden, weil hier mehr frei verfügbare Zisternenmilch vorhanden ist. Allerdings ist darauf zu achten, daß während der mechanischen Vorstimulation nicht gemolken wird, weil dann aufgrund der leeren Zitzen die Melkbecher, wie bei nicht stimulierten Eutern, ihre optimale Position verlassen.

Blindmelken ist unbedingt zu vermeiden

Während des Melkens bei geringen Milchflüssen ist das zitzenendige Melkvakuum sehr stabil. Der Zitzengummischaft wird in der Entlastungsphase mit der höchstmöglichen Druckdifferenz zusammengefaltet. Es entsteht ein hoher Druck auf die Zitzen. Die inneren Auskleidungen der Zitzenzisterne und des Strickkanals werden in jedem Entlastungstakt gegeneinander gepresst. Beim Blindmelken fehlt noch dazu noch die fettige Milch, so dass die Reibung und die daraus resultierenden Verletzungen der Schleimhäute noch größer werden. Die Folgen sind eingeschränkte Infektionsbarrieren der Zitzenspitzen und feinste Verletzungen als Eintrittspforten für Krankheitserreger, wie zum Beispiel Staphylococcus aureus.

Melkvakuum ist oft zu hoch

Doch selbst wenn die Melkarbeit optimal ist, können andere Faktoren wie zum Beispiel ein zu hohes Melkvakuum die Melkqualität erheblich einschränken. Entscheidend ist dabei nicht das eingestellte Vakuum in der Milchleitung, sondern das zitzenendige Melkvakuum in den einzelnen Phasen. Um das beurteilen zu können, sollte man den Vakuumverlauf während des Melkens im kurzen Milchschlauch messen lassen. Bei steigenden Milchleistungen müssen z.B. veraltete Indikatoren und alle anderen Engstellen, die den Milchfluß behindern, ausgetauscht und beseitigt werden. Auch der Wechsel zu Milchschläuchen mit 16 mm Innendurchmesser verringert die negativen Vakuumverluste. An dieser Stelle will ich anmerken, daß nicht nur aufgrund der glatten Oberfläche und der längeren Haltbarkeit Silikonschläuche für den Transport von Milch besser geeignet sind, als die bisher verwendeten Gummischläuche. Zudem sind sie leichter, flexibler und bei guter Qualität halten sie viele Jahre und sind daher trotz des doppelten Preises günstiger als Gummischläuche.

Jedoch gibt auch in Melkanlagen, die aus Sicht der Vakuumverluste völlig optimiert sind, geschädigte Zitzen und zwangsläufig irgendwann Eutergesundheitsprobleme. Ist das Melkvakuum an der Zitze nicht nur im Saugtakt, sondern auch im Entlastungstakt sehr stabil, faltet sich der Zitzengummischaft mit einer so hohen Druckdifferenz, wie es sonst nur beim Blindmelken der Fall ist. Die Zitzenspitzen verhärten und die inneren Auskleidungen des Strichkanals werden geschädigt. Vermeiden kann man diese unerwünschten Schädigungen der Infektionsbarrieren in der Zitzenspitze durch Absenkung des Vakuums in der Entlastungsphase, wie es z.B. beim BIO-MILKER und dem System Happel praktiziert wird. Aber auch mit einfacherer Melktechnik erreicht man akzeptable zyklische Vakuumschwankungen, wenn kleinere Sammelstücke unter 300 ml verwendet werden und der Milchschlauch nach dem Sammelstück etwa 15 – 25 cm ansteigt. Durch Gleichtaktpulsation wird die Vakuumabsenkung im Entlastungstakt noch verbessert, weil an allen 4 Vierteln das Melkvakuum durch die sich faltenden Zitzengummischäfte abgesenkt wird. Da sich die Zitzengummis auch gleichzeitig wieder öffnen (Volumenvergrößerung) ist in diesem Moment das Vakuum an den Zitzen auch am höchsten.

Pulsation nicht zu aggressiv einstellen

Die Bewegung der Zitzengummis wird von der Art der Pulsation bestimmt. Je kürzer die Phasenwechsel, desto schneller öffnet und schließt der Zitzengummi. Leider hat sich gezeigt das bei zu „guten“ neuen Elektropulsatoren mit sehr kurzen c-Phasen (< 8 ms), die Zitzen von schnell schließenden Zitzengummi sehr stark belastet werden. Auch das Pulsverhältnis kann zu aggressiv sein, wenn es zu Gunsten einer langen Saugphase verschoben ist. Ist die Saugphase fast doppelt so lang wie die Entlastungsphase, wird mehr Blut und Gewebsflüssigkeit in die Zitzenspitze gesaugt als in der kurzen Entlastungshase zurückmassiert werden kann. Ich empfehle für Fleckvieh und Braunviehherden ein Pulsverhältnis von 60:40 bei einer Pulszahl von 60 T/min. Nur für leichtmelkende Rotbunt oder HF-Bestände mit sehr hohen Leistungen kann es vorteilhaft sein, den Sauphasenanteil auf 62 –max. 65 % zu erhöhen, weil hier die schnelle Reduzierung des entstandenen Euterinnerdrucks im Vordergrund steht.

Die Zitzengummis so klein wie möglich wählen.

Das kritischste Teil an einem Melkzeug sind die Zitzengummis. Da die Zitzen der Kühe aller Rassen immer kleiner werden, wird oft mit gewohnten aber mittlerweile zu großen Zitzengummis gemolken. Je größer die Unterschiede zwischen den Zitzen sind, desto weicher und flexibler muß der Kopfbereich der Zitzengummis sein. Sind Zitzengummis, die so kleine Kopflochöffnungen haben, daß sie auch an den kleineren Zitzen der jungen Tiere noch gut haften, dabei aber so flexibel sind, daß sie sich an größere Zitzen anpassen können, ohne diese zu sehr abzuschnüren. Nicht alle Firmen können für diese Anforderungen gute Zitzengummis anbieten. Als besonders vorteilhaft haben sich hierbei besonders weiche und flexible Siliconzitzengummis erwiesen. Bei fettfreier Reinigung verändern diese ihre Melkeigenschaften über mehr als 3000 Betriebsstunden nur unwesentlich. Sehr ungünstig sind Zitzengummis mit dicken Verstärkungsringen, weil diese die Zitzenbasis auch wenn sie größer sind sehr stark einschnüren.

Das Melkbechergewicht sollte zur Zitzegummigröße passen

Zu wenig beachtet, wird der Zusammenhang zwischen Zitzengummigröße und Melkbechergewicht. Weil das Melkvakuum über die Fläche der Kopflochöffnung auf die Zitze wirkt, klettern große Zitzengummis bei gleichem Melkzeuggewicht und der selben Vakuumeinstellung früher, als welche mit kleineren Kopflochöffnungen. Gerade beim Fleckvieh wird dann sehr bald der Fürstenbergsche Venenring unterhalb der Zitzenbasis verengt. Ein frühzeitiges Klettern der Melkbecher läßt sich also u.a. durch den Einsatz möglichst enger Zitzengummi und mit entsprechend schweren Hülsen (350g-400g) verhindern. Für Zitzengummis mit Kopflochöffnungen über 23mm dürfen auf keinen Fall „leichte“ Hülsen verwendet werden. Ein möglichst niedriges Melkvakuum ist in jedem Fall anzustreben.

Das Melkzeug muß flexibel sein

Um auch unförmige Euter gut Melken zu können, muß die Melkeinheit möglich flexibel sein. Sind die kurzen Milchschläuche zu hart, können einzelne Viertel nicht individuell ausgemolken werden. An betonten Eutervierteln werden die Melkbecher nach oben geschoben und deshalb nur schlecht ausgemolken. Sind einzelne Zitzen besonders hoch angesetzt, kommt es oft zu Lufteinbrüchen und Haftproblemen. Sehr ungünstig sind aus dieser Sicht z.B. Sammelstücke mit einem sehr steilen Einlaufstutzen für die kurzen Milchschläuche, weil sie kaum eine Auf- oder Abbewegung einzelner Melkbecher zulassen. Auch auf eine gute Melkzeugpositionierung über den langen Milchschlauch muß geachtet werden. Liegt dieser am Boden oder rutscht sogar über die Grubenkante, übertragen sich Dreh- und Hebelkräfte auf die einzelnen Melkbecher. Verstärkt wird das noch, wenn Puls- und Milchschlauch fest verbunden werden. Anzustreben ist eine ausgeglichene Zug- und Gewichtsverteilung auf alle Melkbecher. Betonte Viertel sollten wenn möglich von Melkbeginn an am stärksten belastet werden, um ein gleichmäßiges Melkende aller Viertel zu erreichen.


Abbildung 1: Ein einfaches Stroh- oder Gummiband hilft, die Melkzeugpositionierung im Anbindestall wesentlich zu verbessern.




Im Anbindestall kann ein Melkzeughalteband (Strohband, Gummiband) eine wirkungsvolle Hilfe sein. Mit einer Schlaufe um Milch- und Pulsschlauch wird es entweder am Pulsatortragegriff oder an einem separatem Haken eingehängt, so daß die Schläuche möglichst nah an der Kuh hängen. So kann man das Melkzeug nach vorn spannen, so daß die hinteren Viertel stärker belastet werden und der Milchschlauch nicht am Boden liegt.

Melkzeuge nicht fixieren


Abbildung 2: Schlauchführung mit Schlauchhaken reicht oft schon aus

In Melkständen reicht es oft schon, die Schläuche mit Hilfe eines aus Flachprofil gebogenen konischen Hakens so hoch zuführen, daß die Schläuche in einem weiten Bogen zuerst unter den Bauch der Kuh geht. Bei starken Stufeneutern oder steiler sehenden Kühen kann ein Melkarm erforderlich sein. Doch viele Melkarme schränken die Bewegungsfreiheit der Melkzeuge ein und werden zu weit unten montiert. Es ist darauf zu achten, das der Abstand vom Melkarm zum Sammelstück mindestens 50 cm beträgt und der Schlauch 10–20 cm ansteigt.