Side by Side - Melkstände - Der richtige Trend ?

Seit Jahren schauen viele Fachleute über den "großen Teich", um dort zu sehen, wie man Hochleistungsmilchkühe füttert und mit möglichst einfachen und unkonventionellen Mitteln in preiswert zu bauenden Ställen hält. Mit der "Kuhkomfort" - Welle von Luft, Licht, bequemen Liegeboxen und TMR - Fütterung "schwappten" auch immer mehr die Side by Side Melkstände bis nach Deutschland. Die hohen Milchleistungen und die oft zufriedenstellenden Zellzahlergebnisse großer, in solchen Melkständen gemolkener Herden in Übersee, waren oft Grund genug, die gleiche Melktechnik auch hierzulande einzusetzen. Im letzten Jahr nahm ich deshalb an einer von Dr. Gustav Wilke wunderbar organisierten und unbedingt zu empfehlenden Studienreise nach Wisconsin teil. Mein Hauptaugenmerk als Melkberater galt natürlich der Melktechnik. Ich wollte sehen, warum Landwirte nach solch einer Reise oft nur noch vom Melken in einem Side by Side - Melkstand träumen und dann nicht selten tief enttäuscht sind, wenn sich der Erfolg bei ihnen zu Hause nicht einstellt. Auf dem ersten Blick lassen sich solche Entscheidungen leicht nachvollziehen.

Die Vorteile eines Parallel - Melkstandes sind für jeden sehr überzeugend:

  • geringer Platzbedarf
  • niedrigere Investitionskosten
  • gute Übersicht und kurze Wege
  • schneller Tierwechsel
  • kurze Melkzeiten

Hinzu kommen noch einige Verkaufsargumente der Melktechnikindustrie, die sich bei genauerer Betrachtung allerdings nicht als Vorteile, sondern sogar als Nachteile erweisen:

  • stabilste Vakuumbedingungen, aufgrund des sehr kurzen Milchschlauches (ein gutes Argument, aber schlecht für die Zitzen)
  • mehr Melkplätze je Melker bedienbar (die oft nicht wirklich gebraucht werden)
  • "sichere" Fixierung der Tiere (gut für den Melker, schlecht für die Kühe und deren Milchabgabe)
  • Erreichbarkeit der Euter durch die Hinterbeine (Sehr schlecht, wenn die Kühe nicht ganz hinten stehen und wo hängt der Schwanz?)

Doch weshalb ist dann das Melken in vielen hiesigen Parallel - Melkständen so unbefriedigend und warum rate ich bei Melkstandplanungen immer wieder dringend davon ab, solche Melkstände ohne zwingende Gründe zu bauen?

Alle obengenannten Vorteile beziehen sich nur auf den Melker oder auch den Investor. Kein einziger Vorteil betrifft die Kühe - wenn man mal davon absieht, daß sie nach dem Melken ganz schnell den unbeliebten Platz wieder verlassen können. Die Kühe stehen eng nebeneinander, werden an eine Kotrinne zurückgedrückt (alles zum Wohle des Melkers!) und müssen erdulden, was hinter ihnen geschieht. Sie sehen nicht wann, wer, was von ihnen will. Wer behauptet, daß Kühe unter diesen Umständen entspannt sind und die Euter richtig leer werden, der hat wohl noch nie leere Euter gesehen. Auch in Wisconsin waren leere Euter in Side by Side Melkständen eher die Ausnahme. Dafür fielen sehr schlechte Zitzen mit Ausstülpungen und Zitzenverhärtungen auf. Die zugegeben oft sehr großen Euter wurden durch die Kotrinne eingedrückt, sie waren nach dem Melken oft fest und verspannt und auf keinen Fall leer. In extremen Fällen war der Abdruck der Kotrinne auch nach dem Melken am Euter noch sichtbar. Doch trotz alledem hatten auch diese Betriebe sehr hohe Milchleistungen zwischen 10 000 und 13 000 l /Kuh und Jahr - Wie paßt das zusammen?

Es sind einfach Bedingungen, die bei uns noch nicht immer realisiert werden können. So werden die Tiere dreimal am Tag gemolken, liegen in meist in sehr sauberen Sandboxen und leben in hellen luftigen Ställen. Außerdem werden sie mit Hormonen gespritzt, die bei uns nicht zugelassen sind. Wenn ein Euter dreimal am Tag gemolken wird, spielt der Entleerungsgrad für Milchleistung und Eutergesundheit eine geringere Rolle, als bei Zwischenmelkzeiten von ca. 12 Stunden.

Zudem haben die Kühe in der Regel keinen Schwanz mehr, der einem, oft noch voller Kot, beim Melken im Weg ist, wenn das Melkzeug von hinten angesetzt werden muß. Teilweise unterscheiden sich auch die Futtermittel hinsichtlich Eiweiß- und Energiegehalt. Oft erleben die Kühe weit unter 3 Laktationen, d.h. der Zuchtfortschritt ist sehr hoch und die Herden sind ausgeglichener. Kranke Kühe werden in separaten Abteilen gehalten und teilweise sogar in eigenen Melkständen gemolken oder auch sehr schnell selektiert. Das sind Bedingungen, unter denen der Infektionsdruck in den Herden niedrig bleibt. Wenn eine Kuh geschädigte Zitzen hat, ist es ein Unterschied, ob sie sich in eine keimarme, saubere Sandbox legt oder mit Kot und Ausflussresten in einer unsauberen Tiefliegebox (z.B. bei Spaltenboden) in Berührung kommt. Weil Sand anorganisch, kalt und trocken ist, sind die Lebensbedingungen für Krankheitserreger sehr schlecht. Nasses Stroh und unsaubere Gummimatten sind dagegen vor allem im Sommer wahre Erregerbrutstätten, der Keimdruck auf die Zitzen ist entsprechend hoch und führt im Zusammenhang mit schlechten Zitzenkonditionen zu Euterinfektionen.

Doch weshalb werden die Zitzen in einem Side by Side Melkstand so stark beansprucht, wo die Milch doch frei ablaufen kann und so die stabilsten Vakuumverhältnisse an den Zitzen vorherrschen?

Die Antwort ist einfach und doch von vielen Melktechnikfirmen noch lange nicht akzeptiert.

Das stabile zitzenendige Vakuum während der Entlastungsphase ist eine Urasche für Zitzenausstülpungen, Verhärtungen an den Zitzenspitzen und die Schädigung der inneren Auskleidungen des Strichkanals. Durch den hohen Differenzdruck zwischen Zitze (oft über 40 kPa) und Melkbecherzwischenraum (0 kPa) drückt der Zitzengummischaft mit einem zu hohen Druck auf die Zitzenspitzen, die das auf Dauer natürlich nicht ungeschädigt aushalten. Durch sehr hohe Milchflüsse, Gleichtaktpulsation und einen längeren ansteigenden Milchschlauch läßt sich dieses Problem etwas reduzieren. Doch die geringe Melkplatzbreite bei Parallelaufstellung setzt Grenzen, vor allem auch in der Schlauchführung. Der Milchschlauch darf nicht so steil ansteigen, daß die hinteren Viertel zu stark entlastet werden. Je nach örtlichen Gegebenheiten sind zusätzlich angebrachte Stangen über Kopfhöhe oder Umlenkrollen eine Hilfe, um mit höhenverstellbaren Seilen (Zeltleinenprinzip, Gegengewicht ...) die Milchschläuche aufzuhängen. Von Vorteil ist dabei, wenn die Schläuche erst nach dem Ansetzen der Melkzeuge hochgehängt werden können, weil sie so bei der Eutervorbereitung nicht im Weg sind. Wer die Milchleitung gleich nach oben verlegen kann, spart sich viel Ärger mit herumhängenden langen Milchschläuchen. Da die Milch vom Sammelstück dann nur ca. 1 m hoch in die Milchleitung transportiert werden muß, sind größere Vakuumverluste nicht zu erwarten. Im Gegenteil, unter diesen Bedingungen kommt es zu zyklischen (also nicht unkontrollierten) Vakuumschwankungen an den Zitzen. Mit anderen Worten steht im Saugtakt auch bei 40 kPa Nennvakuum noch genügend Melkvakuum auch für höchste Milchflüsse zur Verfügung. Reduziert wird hauptsächlich die Druckdifferenz beim Falten der Zitzengummis und damit verringert sich der Druck auf die Zitzen. Deshalb ist die oben verlegte Milchleitung eine Variante, in Melkständen, in denen das Melkzeug von hinten angesetzt wird, vernünftige zitzenendige Vakuumverhältnisse zu erzeugen.

Wer es schon einmal erlebt hat weiß, daß am Anfang massiver Eutergesundheitsprobleme oft geschädigte Zitzenspitzen stehen. Deshalb sollte die Qualität von Melktechnik nicht nur danach beurteilt werden, wie schnell gemolken wird und was die Anschaffung kostet, sondern auch und vor allem wie leer die Euter werden und welche Veränderungen an den Zitzen zu beobachten sind.

Wenn aus Platzgründen oder aufgrund des notwendigen Durchsatzes ein Parallelmelkstand gebaut werden muß, dann empfehle ich unbedingt eine Ausführung mit Einzelfixierung zu wählen. Je unterschiedlicher die Körpermaße einer Herde sind, desto nachteiliger wirkt sich eine Gruppenfixierung auf Einzeltiere aus. Meist die jungen rahmigen Tiere fangen den Druck für die ganze Gruppe ab, stehen sehr zusammengepresst, die Kotrinne drückt sich ins Euter oder in die Schenkel. Kleine Tiere stehen trotzdem zu weit vorn, kleine Melker müssen sich dann weit über die Grubenkante lehnen, um die vorderen Viertel erreichen zu können. Wer schon einen Melkstand mit Gruppenfixierung hat, tut gut daran, die Tiere nur soweit zu fixieren, daß die größten Kühe kurz vor der Kotrinne stehen. Eine Hand muß noch leicht dazwischen passen. Wer das aus technischen Gründen nicht umsetzen kann, sollte die Kühe zumindest nach dem Ansetzen der Melkzeuge wieder nach vorn lassen.

Schauen Sie Ihren Kühen beim Melken mal in die Augen! Ist der Kopf gesenkt, der Blick starr und haben Sie den Eindruck, daß die Kühe nur darauf warten, daß der Brustbügel hochgeht, dann sollten sie unbedingt etwas ändern. Tasten Sie nach dem Melken auch mal die Euter ab. Wenn sie den Drüsenbereich nicht fühlen können, weil die Euter verspannt und fest sind, dann verschenken Sie viel Milch. Für chronische Mastitisfälle muß so ein Zustand auf jedenfall schnell behoben werden, weil sonst nahezu jede Euterbehandlung erfolglos bleiben wird.

Obwohl ich kein Betriebswirtschafter bin, rate ich allen, die einen Melkstand planen, sich vorher genau zu überlegen, aus wieviel Liter Milch Ihnen der Ertrag zur Finanzierung Ihrer Melkplätze zur Verfügung steht. Das gilt nicht nur bei Neuinvestitionen, sondern auch später. Sinkende Milchpreise sind ja nicht auszuschließen, sondern eher zu erwarten. Immer wieder treffe ich auf Melkstände, in denen man mit 3 bis 4 Kühen bei einer Milchleistung von 7000 bis 8000 Litern im Jahr einen hoch mechanisierten Melkplatz zu finanzieren hat. Wer hier bei Problemen Melktechnik ersetzen muß oder nachrüsten will, melkt sehr lange nur für die Melktechnikfinanzierung. Gerade Side by Side Melkstände sind aufgrund der günstigen Platzverhältnisse oft überdimensioniert und die Auslastung der Melktechnik ist zu gering. Wenn Sie unbedingt Zeit sparen müssen, können Sie es vielleicht an anderer Stelle mit weniger finanziellem Aufwand und geringerem Risiko tun. Das Melken Ihrer Kühe steht am Ende vieler aufwendiger Vorarbeiten - wenn Sie nur daran denken, wie lange es dauert, bis eine Kalbin die erste Milch gibt. Deshalb beziehen Sie bitte in die Anforderungsliste für zukünftige Melkanlagen auch die Bedürfnisse Ihrer Kühe mit ein. Streben Sie eine ökonomisch vertretbare aber auch tiergerechte Milchgewinnung an. Eine Melkstand, in dem Tiere zusammengepresst werden, die Zitzen ausfransen und die Euter vor Angst und Schmerzen verkrampft und fest sind, zählt mit Sicherheit nicht dazu.

Fazit:

Side by Side Melkstände haben ihre Existenzberechtigung nur unter ganz bestimmten Umständen. In möglichst ausgeglichenen Milchviehbeständen bei dreimaligem Melken, hohen Milchflüssen, bei gutem Management und optimaler Ausrichtung der Melktechnik, kann auch in Parallelmelkständen erfolgreich gemolken werden. Leider sind jedoch diese Bedingungen allzu oft nicht gegeben, sodass die Probleme wie fehlende Leistung, melkunwillige Tiere, veränderte Zitzen und häufige Euterentzündungen nicht lange auf sich warten lassen. Wer sich für solche Melkstände entscheidet, sollte vorher genau prüfen, ob es keine besseren Alternativen gibt. Hinsichtlich Schlauchführung, Erreichbarkeit der Euter und Aufstellung der Kühe eignen sich Fischgrätenmelkstände bei akzeptablen Kosten und Durchsatzleistungen sehr gut. Wer auf den Vorteil des schnellen Tierwechsel z. B. für sehr große Tiebestände nicht verzichten will, kann das bei genügend Platz auch mit einer nicht zu steilen 30 bis 40 Grad Aufstellung verbinden.